Unverhoffter Besuch

„Oh, Bischof Nikolaus!“

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Drei Leute vor parkenden LKWs
Nachweis

Fotos: Franz Kratochwil

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Der heilige Nikolaus – dargestellt von Bernhard Wendt aus Radebeul – und Gemeindemitglieder aus Meißen und anderen Orten besuchten die Trucker.

Staunen, Freude und Dankbarkeit – das waren die Reaktionen der Trucker auf einen Besuch aus der Pfarrei Sankt Benno Meißen. Am dritten Advent kam es zu berührenden Begegnungen auf zwei Raststätten bei Dresden.

„Zuerst war bei den Truckern ein Staunen darüber, dass da jemand kommt, der sich für sie interessiert“, so Diakon Franz-Georg Lauck von der Pfarrei Sankt Benno Meißen. Lauck hat sich im zurückliegenden Jahr mit der bedauernswerten wirtschaftlichen Situation der meist osteuropäischen Fernfahrer vertraut gemacht und sie den Christen der Pfarrei nahegebracht. Schnell wurde beschlossen, sich der Situation der Trucker zu stellen und ein Projektteam eingesetzt. Darin entstand die Idee, die Fernfahrer auf dem Rastplatz Dresdner Tor Süd an einem Adventswochenende zu besuchen, ihnen einmal aufrichtig „Danke“ zu sagen und ein Geschenk-Päckchen zu übergeben.

Plätzchen für die Seele, Duschgel für den Alltag

Viele aus der Pfarrei ließen sich begeistern und machten mit. Geld- und Sachspenden kamen zusammen. Die Senioren- und Helferkreise der Pfarrei sowie die Meißner Pfarrjugend backten Weihnachtsplätzchen in großen Mengen. Bereits am Donnerstag vor dem dritten Advent ging es mit dem Päckchen packen los: Nikoläuse und Plätzchen für die Seele, Duschgel und ein Handtuch für den Alltag. Angeboten wurden zudem kleine Holzkreuze oder Schutzengel-Schlüsselanhänger. Dazu ein Fernfahrer-Gebet in mehreren osteuropäischen Sprachen sowie ein mehrsprachiger Weihnachtsgruss. 
„Wir wissen ja, dass wir bei den Fahrern nicht nur Christen treffen. Deshalb haben wir die Schutzengel mit dabei“, so Benno Jaxy, einer der Freiwilligen. Denn: „Schutzengel sind nicht nur bei Christen beliebt, sie sagen auch Muslimen und Nichtchristen etwas und  werden gerne angenommen.“ 
Am Sonnabend vor dem dritten Advent ging es los mit einer Andacht im Freien auf der Autobahnraststätte. Die Kreuze und die Schutzengel wurden gesegnet, Zweier- oder Dreierteams machen sich anschließend auf den Weg zu den Truckern. Wie werden sie reagieren? Was erwartet die Besucher? 
„Unsere Sorgen, auf eine so ganz andere Lebenswelt der rauen Trucker zu treffen, waren nicht berechtigt“, weiß Franz-Georg Lauck zu berichten. Als Bischof Nikolaus zudem persönlich kommt, dargestellt von Gemeindemitgliedern, wird aus dem Staunen schnell Freude. Bernhard Wendt aus Radebeul – einer der beiden Darsteller – weist darauf hin, dass der heilige Nikolaus im Osten Europas sehr beliebt ist. Auch auf der Raststätte öffnet Nikolaus die Herzen. Von einer Gruppe rumänischer Fahrer werden die Helfer schon von weitem in gebrochenem Deutsch begrüßt: „Oh! Bischof Nikolaus!“
Es folgen viele Gespräche mit den Truckern. Alle verlaufen unterschiedlich, mal in gebrochenem Deutsch, mal in einfachem Englisch, mal mit Hilfe einer Übersetzungs-App. Manche von den Freiwilligen sind sprachtechnisch im Vorteil: Mari, die neue Gemeindereferentin, spricht Georgisch und Russisch. Irina und Iryna, zwei ukrainische Flüchtlinge, sprechen Ukrainisch und Russisch. Außerdem sind einige Christen dabei, deren Muttersprachen Polnisch beziehungsweise Ungarisch sind. Mancher hat sein Schul-Russisch aufpoliert.

Begegnung auf dem Rastplatz
Die Trucker freuten sich über das Interesse ihrer Besucher.

Doch Sprache ist nicht alles. Diakon Lauck: „Persönliche Begegnung, Zeit und  ehrliche Zuwendung - das ist es, was bei der Aktion wirklich zählt!“ Schnell werden  Emotionen deutlich: „Ungläubiges Staunen, echte Überraschung, wahre Freude und ehrliche Dankbarkeit. Das ist es, was uns von den meisten Fahrern gezeigt wird.“
Es folgen lockere und tiefe Begegnungen. Diakon Lauck: „Ich habe mit einem Mann aus der ukrainischen Stadt Irpin gesprochen und ihn gefragt, wie es seiner Familie geht. Seine Frau arbeitet in Rom, die Töchter in den Niederlanden und er selbst ist das ganze Jahr auf Achse. Nun hoffen alle, dass sie sich an Weihachten sehen können.“ Diese Begegnung hat den Meißner Diakon und auch den ukrainischen Fernfahrer sehr berührt. Am Ende übersetzte eine Smartphone-App „Ukrainisch-Deutsch“: „Ich danke unserem Schöpfer und euch, dass ihr da seid.“ 
Die Besucher der Pfarrei Sankt Benno haben nicht nur Geschenke dabei, sondern bringen offene Ohren mit. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott mit dem Alltag der Trucker einverstanden ist“, betont Lauck. Niedrige Löhne, Nichtachtung, ein ständiges Leben in Gefahr und dieses irgendwie ganz unten in der Gesellschaft stehen, prägen das Leben der Fahrer. 
Klar, viel verändern können die Meißner nicht. „Die Trucker wünschen sich Achtung, Respekt und Fairness im Verkehr. Die können wir alle weitergeben“, sagt Franz-Georg Lauck. Er fügt hinzu: „Wenn wir beispielsweise in den Urlaub fahren, sehen wir die Trucker oft als Last, als Hindernis. Da sollten wir alle umdenken!“ Auch der Aspekt der Dankbarkeit gegenüber den Fahrern ist für die Besucher aus der Pfarrei Meißen Motivation. Denn ohne die Arbeit der Fernfahrer würde das Leben einfach nicht funktionieren.

Vielleicht ein Spaziergang zu Ostern?

Am Ende des Nachmittags sind noch einige Geschenk-Päckchen übrig. Denn mehr Trucker als erwartet, haben die Gardinen an ihren Führerhäusern geschlossen, um sich für die Weiterfahrt auszuschlafen. Spontan entscheiden einige Unentwegte aus dem Kreis der Freiwilligen, sich am Sonntag Nachmittag auf der anderen Seite der Autobahn erneut zu treffen, um die Aktion dort fortzusetzen. Und so treffen sich am nächsten Tag zehn Christen auf der Rastanlage Dresdner Tor Nord, besuchen dort die Trucker, führen mit ihnen freundliche Gepräche und verteilen die übrigen Päckchen.
Nächstes Jahr geht die Arbeit weiter. Bereits im Januar treffen sich die Aktiven, um sich über die gemachten Erfahrungen auszutauschen und darüber zu diskutieren, ob und wie das Projekt fortgeführt werden kann. Diakon Lauck: „Ich bin mir sicher, dass unser Trucker-Projekt weitergeht. Ob mit einem Spaziergang über die Raststätte an Ostern, mit einer Firmgruppe an einem Sonntag, einer Fahrzeugsegnung am Tag des heiligen Christophorus oder wieder im Advent … .“

Holger Jakobi