Schwerpunkt zur vierwöchigen Weltsynode im Oktober

„Die Kirche hat jetzt eine große Verantwortung“

Image
Himmel Vatikan
Nachweis

unsplash/Xavier Coiffic

Caption

Der Himmel über dem Vatikan vor der mit Spannung erwarteten Weltsynode.

Anfang Oktober beginnt im Vatikan die Weltsynode. Bischöfe, Ordensleute und Laien aus aller Welt beraten, wie die katholische Kirche sich verändern soll. Was das bedeuten kann, sagt Erzbischof Jaime Spengler, Präsident des Lateinamerikanischen Bischofrates, im Interview. Die nachfolgenden Statements von Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Weltsynode zeigen deutlich: Der Wunsch nach Veränderung ist in vielen Ländern groß

Was erwarten Sie von der Weltsynode? 

Wir leben politisch in einem schwierigen Moment der Geschichte, und die Kirche kann der Gesellschaft in diesem Moment ein besonderes Angebot machen. Sie kann zeigen, dass Synodalität nicht nur eine Antwort auf die Krise in der kirchlichen Gemeinschaft ist, sondern auch in der Gesellschaft, folglich auch in der Demokratie. 

Wie meinen Sie das? In Deutschland sagen Kritiker, die Kirche sei in Sachen Demokratie nicht gerade ein Vorbild.

Wir reden in der Kirche über schwierige Themen. Wir müssen partnerschaftlich miteinander umgehen. Und das heißt: zuerst allen zuhören – und danach im synodalen Prozess zu einer Verständigung kommen. Wenn uns das gelingt, können wir den vielen extrem polarisierten Gesellschaften in Südamerika ein Vorbild sein. Zum Beispiel erleben wir in Argentinien, Nicaragua, Kuba und Venezuela immer mehr Fundamentalismus und Radikalisierung, das macht Dialog und Zusammenleben schwer. Die Kirche gehört in verschiedenen Ländern zu den angesehensten Institutionen – und hat jetzt eine große Verantwortung. 

Wie müsste die Weltsynode verlaufen, damit die Kirche dieser Verantwortung gerecht wird?

Ich hoffe, dass die Synode in der Kirche eine größere Dynamik erzeugt, im ganzen Volk Gottes. In den vergangenen zwei Dekaden war diese Dynamik gebrochen. Aber jetzt, mit Papst Franziskus, gibt es einen neuen Aufbruch und ich hoffe, dass wir den neuen Geist stärken können, besonders die Aktivität der Laien in den kleinen Gemeinden und Pfarreien.

Die Amazonas-Synode 2019 hat sich für die Weihe von viri probati, also verheirateten Männern im Zivilberuf, ausgesprochen. Der Papst hat dieses Votum ignoriert. Wie sehen Sie das heute?

Das ist eine sehr sensible Frage. Die Kirche hat in der Frage des Pflichtzölibats eine große Tradition, aber die Zeiten ändern sich, und neue Notwendigkeiten entstehen. Ich persönlich glaube, dass man zuerst den ständigen Diakonat ausbauen sollte, um diese Erfahrungen dann in einem weiteren Schritt auszuwerten. Ohne zu vergessen, dass es einer rigorosen Unterscheidung bedarf, könnte man dann überlegen, ob dies ein Ausweg wäre, um dem Mangel an Priestern zu begegnen – oder ob man den Zugang von viri probati zum Priestertum fördern sollte.

Wann sollte die Kirche diesen ersten Schritt gehen?

Am besten gestern! (lacht)

Jaime Spengler, Erzbischof von Porto Alegre
Jaime Spengler ist Erzbischof von Porto Alegre und Präsident des Lateinamerikanischen Bischofsrates. Foto: Ralph Allgaier/Misereor

Schon vor der Amazonas-Synode haben viele Kirchenleute aus Südamerika erzählt, wie dringend die viri probati dort gebraucht würden, weil Priester fehlen.

Das ist wahr. Wir haben Gemeinden, die deshalb zwei Jahre keine Eucharistie feiern können. Aber das Thema ist schwierig für den Papst. Er kämpft gegen viele Widerstände – zum Teil von Personen, die die Zustände zum Beispiel in Amazonien nicht kennen. Und diese Zustände gibt es ja nicht nur in Amazonien. Wir müssten, glaube ich, schneller vorankommen bei diesem Thema.

Sie haben sich vor der Weltsynode mit Vertretern der Bischofskonferenzen von Asien und Afrika getroffen. Haben Sie ein gemeinsames Anliegen, das Sie einbringen wollen?

Ich glaube, zwei Themen müssen uns beschäftigen. Erstens: Wir brauchen eine Dezentralisierung der Kirche. Rom kann gar nicht mehr all die so unterschiedlichen Prozesse begleiten, die auf allen Kontinenten stattfinden. Der Glauben wird in Asien, Afrika und Lateinamerika nun mal sehr unterschiedlich gelebt. Aber die Identität und die Aufgabe der nationalen Bischofskonferenzen müssen besser geklärt werden.

Und zweitens?

Wir brauchen eine neue Sprache, um den Glauben an die neuen Generationen weiterzutragen. Unsere Sprache entspricht nicht mehr den Bedürfnissen heute, sie provoziert kein Echo mehr.

Was erhoffen Sie sich von der Weltsynode mit Blick auf die Weltklimakonferenz 2025 in Brasilien?

Die braucht unsere besondere Aufmerksamkeit. Wir laufen zurzeit in große Risiken hinein. In Brasilien spüren wir, wie durch die Erderhitzung Extremwetterereignisse häufiger und heftiger werden. Südbrasilien hat im Mai die schlimmste Hochwasserkatastrophe aller Zeiten erlebt, mehr als 400 Dörfer und Städte wurden verwüstet. Die Prognosen der Klimaforscher machen mir große Sorgen. Es ist für uns Christen eine wichtige ethische Aufgabe, dieses Problem anzugehen.

Warum?

Als Kirche reden wir von der Würde der Schöpfung. Also sind wir aufgerufen, Sorge für sie zu tragen. Ich hoffe, dass die Synode dazu beiträgt, besser zu verstehen, dass es notwendig ist, Räume des Dialogs zu vertiefen. Nur so wiederum können wir besser verstehen, was genau die Klimakrise in verschiedenen Regionen der Welt bedeutet – und welche Zukunft wir für diesen Planeten wollen.

Würde die Synode auch deswegen für den Klimaschutz etwas bringen, wenn sie zeigt, dass die Kirche selbst veränderungsbereit ist?

Gewiss! Die Synode könnte beweisen, dass die Kirche nicht statisch ist und dass sie in der Lage ist, Mittel und Wege zu finden, auf die Herausforderungen der Zeit angemessen zu reagieren. Das wäre ein großes Zeugnis für die Welt von heute.

Interview: Andreas Lesch

Logo Synode
Das Logo der Weltsynode


„Kirche ist kein Top-Down-Modell“

Georg Bätzing

Für einen Monat werden Vertreterinnen und Vertreter der katholischen Kirche aus der ganzen Welt wieder eingeladen sein von Papst Franziskus, um in Rom bei der zweiten Sitzung der XVI. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode in eine entscheidende Etappe des synodalen Weges einzutreten. Es wäre falsch, die Frage nach der Synodalität der Kirche auf fortwährende Strukturdebatten zu reduzieren. Vielmehr geht es um einen neuen Aufbruch, der darauf ausgerichtet ist, die Stimmen der Gläubigen zu hören, aufmerksam auf die Anforderungen der gegenwärtigen Zeit zu blicken und im gemeinsamen Hören aufeinander danach zu fragen, was der Heilige Geist seiner Kirche in dieser Zeit sagen möchte. 

Kirche ist eben kein „Top-Down-Modell“, das durch einsame Entscheidungen der Bevollmächtigten von oben nach unten geleitet und getragen werden kann. Auf dieser Einsicht beruht der Blick auf Synodalität. Teilhabe, Transparenz, Offenheit, Rechenschaft, Einheit in Verschiedenheit, Inkulturation und Hinwendung zu den Rändern sind daher wichtige Stichworte für die Beratungen dieser Synode.

Ich sehe und höre die Hoffnungen, die sich mit einer solchen Sichtweise von Kirchen verbinden. Aber bei allem Optimismus ist klar, dass auch solche weltweiten Zusammenkünfte ihre Grenzen haben. Es kann keine Debatte „über alles oder nichts“ geben, deshalb haben die Planer der Synode sich auch bemüht, Bahnen zu ziehen, um eine Überforderung der Beratungen zu vermeiden – die Arbeit ist reguliert und die Debatten thematisch eingegrenzt. Das ist verständlich, macht es uns Teilnehmenden aber oft nicht leicht, das zur Sprache zu bringen, was brennende Fragen vieler sind. Und doch habe ich die Hoffnung, dass der Heilige Geist seine Kirche und uns alle führt und leitet auf dem Weg durch die Zeit. Und dass er weht durch die Synodenversammlung, wenn wir nach seinem Willen fragen. Bitte begleiten Sie die Synode mit Ihrem Gebet.

// Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz


„Es gilt, Vertrauen zu haben und nicht aufzugeben“

Myriam Wijlens
Myriam Wijlens, Kirchenrechtlerin aus Erfurt. 
Foto: privat

Als die Synode 2021 eröffnet wurde, konnte niemand erahnen, dass an allen Sitzungen auf allen Ebenen Männer und Frauen, Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien teilnehmen wurden. Die Erfahrung zeigte, jeder hat etwas zu sagen. Der Heilige Geist leitet die Kirche. Der Prozess setzte bei der Basis an, führte zum Austausch auf Weltebene, ging zurück zur Kontinentalebene und von dort in die erste Sitzung in Rom im Herbst 2023. Danach wurde erneut in den Ortskirchen beraten und jetzt geht es wieder nach Rom. Durchgehend sind die Themen: Taufe, Gleichheit in Würde, Mitverantwortung und Teilhabe auch von Frauen in Leitung und Sendung, Transparenz und Rechenschaft. 

Im Prozess wurde klar, Glaube wird immer im Kontext gelebt. Ein Treffen der europäischen Delegierten formulierte: Denk global, handle lokal. Die Synode steht vor der Herausforderung, die Katholizität, das heißt die Diversität der weltweiten Kirche im Miteinander der verschiedenen Charismen, die im Volk Gottes sind, vor Ort zu leben und zugleich die Einheit in ihr zu entdecken und bewahren. Sollte das gelingen, können Fragen so beantwortet werden, dass sie dem Kontext gerecht werden. 

Die Synode wird beraten, wie sich Diversität und Einheit im Miteinander von Laien und Klerikern, Männern und Frauen, Jung und Alt, Orts- und Gesamtkirche mit Blick auf Entscheidungsfindungsprozesse entfalten. Wer berät in Zukunft zu welchen Themen in welcher Weise und in welchen Gremien? Wie geschieht das? Und wie und von wem wird entschieden? Wie und gegenüber wem wird darüber Rechenschaft abgelegt?

Die Erwartung der Menschen ist sehr hoch. Die Mentalitätsänderung und die Umsetzung der Ergebnisse sind eher langfristig zu denken. Es gilt, am Ball zu bleiben, Vertrauen zu haben und nicht aufzugeben. Europa ist ehrwürdig, alt und müde. Möge der Glaube der jungen Kirchen es beflügeln und ermutigen, ungeahnte, aber womöglich großartige Wege zu gehen.

// Myriam Wijlens, Kirchenrechtlerin aus Erfurt 


„Ich hoffe auf schmerzhafte Fragen“

Estela Padilla
Estella Padilla, Theologin von den Philippinen
Foto: privat

Aus den bisherigen synodalen Beratungen können wir für die Philippinen und Asien die folgenden drei Top-Themen nennen: die Kirche der Armen, Ökologie und unser gemeinsamer Weg mit der Menschheit, da wir in interreligiösen und interkulturellen Zusammenhängen leben. 

Ich hoffe, dass wir in dieser letzten Synodensitzung wirklich gemeinsam unterscheiden und entscheiden inmitten unserer unglaublichen Vielfalt. Ich hoffe, dass wir wirklich die Führung des Geistes spüren. Ich hoffe, dass wir klar die Zeichen der Zeit lesen können, selbst wenn wir nicht wissen, in wie vielen Sprachen Gott sich äußern könnte. 

Ich hoffe, dass wir alle eine spirituelle Bekehrung erleben, denn ohne diese wird es keine echte Veränderung geben. Ich hoffe, dass wir den Mut haben, die schmerzhaften Fragen zu stellen, und noch mehr Mut haben, sie ehrlich zu beantworten und Verantwortung zu übernehmen. Ich hoffe, dass wir in unseren Herzen genug Glauben und Hoffnung haben, um diese Risiken einzugehen. Wir warten schon zu lange auf Veränderungen. Es ist ein Kairos.

 // Estella Padilla, Theologin von den Philippinen 


„Wir müssen uns den Frauen anschließen“

Béatrice Faye
Béatrice Faye Ordensfrau aus dem Senegal. 
Foto: missio

Das Thema Synodalität hat in Afrika eine Entwicklung durchgemacht. Die Familie Gottes hier ist eine lebendige Kirche, die in Bewegung ist und offen ist für eine tiefgreifende Erneuerung. Erinnern wir uns an einige wichtige Themen, die es zu vertiefen gilt.  

Die Frage der Autorität, ihres Sinns und der Art und Weise, wie sie ausgeübt wird, stellt sich in der Kirche sehr dringlich. Wir müssen die Reflexion über neue Formen der Partizipation und über die Ausübung von Autorität fortsetzen. 

Ein besonderes Augenmerk muss darauf gelegt werden, auf die Stimmen der Ausgegrenzten zu hören, der Armen, Jugendlichen, Frauen, Migranten, Alten und derjenigen, die sich von der Kirche entfremdet fühlen.

Die kritische Frage der Gleichberechtigung von Frauen in Führungspositionen in der Kirche wird immer noch als theoretische Frage betrachtet, nicht als Frage unmittelbarer strategischer Maßnahmen. Wir müssen uns den vielen Frauen anschließen, die die Kirche heute herausfordern. Wir müssen ihr Charisma anerkennen und ihre Rolle in der Kirche, insbesondere in den Entscheidungsgremien, stärker betonen. 

In Afrika fehlt es bei Initiativen des ökumenischen und interreligiösen Dialogs manchmal an der aktiven Beteiligung der Laien. Deshalb ist es schwierig, die ökumenischen und interreligiösen Beziehungen systematisch in das Leben und die Sendung der Kirche in Afrika zu integrieren. Außerdem muss die Kirche die Realität der digitalen Technologien einbeziehen, die heute allgegenwärtig ist, vor allem unter den Jugendlichen. 

Was sind nun meine Erwartungen an die Synode?

Der synodale Weg muss zur Lebensweise der Kirche werden, die das ganze Volk Gottes in das Hören und in die Berücksichtigung des Wortes Gottes einbezieht. Pfarreiräte müssen obligatorisch sein und gestärkt werden, ebenso Finanzräte.

Wir brauchen eine gemeinsame Ausbildung für alle: Laien, Ordensleute, Priester und Bischöfe. Es ist wichtig, die Priesterausbildung im Licht der synodalen und missionarischen Perspektiven zu überprüfen.

Was auf der Synode nicht passieren sollte: Widerstand gegen Veränderungen, Spannungen zwischen kultureller Vielfalt und Einheit, Vergessen der Stimme der Frauen – und dass wir die Freude am synodalen Weg verlieren.

// Béatrice Faye, Ordensfrau aus dem Senegal 


„Ich erwarte mir Impulse für unser Land“

Bischof Stefan Oster
Stefan Oster ist Bischof von Passau
Foto: imago/Future Image

Ich freue mich sehr auf den zweiten Teil der Bischofssynode im Oktober. Zuallererst ist es für mich ein großes weltkirchliches Ereignis und Erlebnis. Von den Erfahrungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus aller Welt zu hören und zu lernen, stärkt die eigene gläubige Identität. Und zugleich macht es demütig – weil wir doch nur allzu schnell und vielleicht auch nur unbewusst meinen, die katholische Welt würde sich vor allem um uns und unsere Probleme drehen. Hier, in Rom, geschieht ein gutes Stück Selbstrelativierung und Verschiebung des Fokus, besonders auf die geistliche Mitte des Weges. 

Zweitens erwarte ich, dass wir wirklich weiterkommen im gemeinsamen Verstehen dessen, was der Papst oder sogar der Geist Gottes uns sagen will mit dem Wort „Synodalität“ – und wie wir es mit Leben füllen können. Ich bin ja bekanntermaßen nicht unkritisch gegenüber dem Synodalen Weg, den wir in Deutschland, in Frankfurt, geübt haben und gegangen sind. Den Weg, den uns Papst Franziskus vorgeschlagen hat, kann ich weit besser mitgehen. Aber wenn er wirklich in die Tiefe gehen soll, wird er auch anstrengend sein. Um es ein wenig lapidar zu sagen: Vier Wochen „Hören üben“ kann auch müde machen. 

Ein Thema, das wir in unserem Land kaum auf dem Schirm haben, ist die selbstverständliche Verschränkung von Synodalität und Mission – die jetzt auch im neuen Instrumentum laboris wieder so deutlich ausgesprochen wird. Ich erwarte mir also Impulse für die Frage, wie auch in unserem Land Synodalität so gelebt werden kann, dass sie auch andere Menschen anzieht und mitnimmt auf die Reise der Kirche. Konkret interessieren mich hier auch ökumenische Perspektiven. Die ökumenische Vigilfeier am Vorabend des ersten Teils der römischen Synode im vergangenen Oktober fand ich in dieser Hinsicht zutiefst bewegend. 

Was nicht passieren dürfte: dass die intensiven, weltweiten Bemühungen um das Thema Synodalität am Ende doch verpuffen, einfach weil es nicht leicht sein wird, die römische Erfahrung auch hinaus zu übersetzen in die einzelnen Ortskirchen weltweit.

// Stefan Oster, Bischof von Passau