In der Kirche in Langen gibt es Neues zu entdecken
Ein Regenbogen hinter dem Altar

Foto: Petra Diek-Münchow
Rot, grün, gelb und blau leuchtet der Altarraum in Langen.
WAS PASSIERT IN DER KIRCHE?
„Wollt ihr das Lied noch mal hören?“ Hennis und Jannis beantworten die Frage ihrer Oma mit einem freudigen Nicken. Fix laufen sie los, finden auf dem Bildschirm neben der Bank schnell die richtigen Tasten. Ein leichter Fingerdruck und schon klingt durch die St.-MatthiasKirche in Langen ein Lied von Detlef Jöcker, das sie laut mitsingen: „Regenbogen, buntes Licht. Deine Farben sind das Leben. Gott verlässt die Erde nicht, hat sein Zeichen uns gegeben.“ Und ganz fasziniert sehen die zwei Jungs dieses Zeichen im Altarraum unmittelbar vor sich aufleuchten, denn mehrere Lampen tauchen parallel zu den Liedzeilen die Kuppel in wunderschöne Regenbogen-Töne. Da machen Hennis und Jannis große Augen. Möglich macht dieses musikalische Licht-Erlebnis das „Mediale Kirchensystem“, kurz MediaKi genannt. Der früher im Raum Braunschweig tätige evangelische Pfarrer Ulf Weber hat es mit seinem Sohn entwickelt. Im Bistum Osnabrück ist St. Matthias im südlichen Emsland mit seinen knapp 1300 Gemeindemitgliedern nach Kenntnis von Renate Kallage vom Pfarrgemeinderat die erste damit ausgestattete Kirche. Auch in ganz Niedersachsen gibt es nur wenig weitere Stationen.
WAS KÖNNEN GÄSTE DAMIT ANFANGEN?
In Langen steht direkt am Seiteneingang ein Computerterminal mit einem Touchscreen (ein berührungsempfindlicher Bildschirm). Auf diesem können die Gäste selbst auswählen, ob sie zum Beispiel einem Psalm oder einer Friedensandacht, einem Reisesegen oder einem Taizégebet lauschen möchten. Und hören könnten sie dabei einen gregorianischen Gesang, ein „Halleluja“ oder einen Bibel-Rap. Der Chorraum samt den Seitenaltären wird passend dazu mal gelb, mal rot, blau, grün oder eben in Regenbogen-Farben angestrahlt. „Jeder kann sich genau das aussuchen, was er oder sie gerade braucht“, sagt Renate Kallage. „Auch dazu, in welcher Gefühlslage oder Lebenssituation man gerade steckt.“ Denn das vielfach untergliederte System bietet Impulse an zu Themen wie Traurigkeit, Freude, Wut oder Dankbarkeit. Zudem gibt es ein eigenes Feld für Kinder und Jugendliche.

WARUM WURDE DAS IN LANGEN INSTALLIERT?
Renate Kallage vom Pfarrgemeinderat und Paul Koldehoff vom Kirchenvorstand haben das Projekt in ihrer Heimatgemeinde vorangetrieben, weil sie den Besuchern ermöglichen wollen, die Kirche als Ort der Ruhe und Inspiration neu zu entdecken. „Die Gottesdienste mögen überall nicht mehr so gut besucht werden, aber die Kirchen bleiben wichtige Orte für uns“, sagt Kallage. Immer wieder beobachtet sie, dass tagsüber Menschen zu jeder Zeit in St. Matthias hineingehen. Vielleicht, um eine Kerze zu entzünden, ein Gebet zu sprechen oder Danke zu sagen. Gleichzeitig findet sie aber auch, dass die Gemeinden für diesen offensichtlichen Bedarf des Zuspruchs lebendige, zeitgemäße Formen und eine Atmosphäre schaffen sollten, durch die die Gäste sich in ihrem Glauben angesprochen und gestärkt fühlen. „Wir wollten ein Angebot installieren, das jede und jeder für sich individuell nutzen kann.“
WAS KOSTET DAS SYSTEM?
Natürlich ist MediaKi nicht umsonst. Die reine Grundausstattung für die Konsole kostet knapp 2500 Euro und „je nach weiterer Ausstattung mit zusätzlichen Programmen kommt schon noch was obendrauf“, sagt Paul Koldehoff. „Wir können und wollen künftig auch eigene Inhalte einpflegen.“ So sollen die Gäste zum Beispiel bald auch eine multimediale Kirchenführung durch St. Matthias abrufen können. In Langen hat die Gemeinde vor allem einiges an Geld in zusätzliche Technik investiert, die das Seh- und Hörerlebnis optimiert – wie entsprechende Lampen und eine bessere Lautsprecheranlage. Aber die Langener haben dafür eine ordentliche Förderung bekommen, weil sie das Projekt eingebunden haben in ein Gesamtpaket zur Dorferneuerung. Dazu zählte eine Liste verschiedener Vorhaben von der Neugestaltung des Kirchenumfeldes mit entsiegelten Flächen, bienenfreundlichen Stauden, einem bald fertigen Themengarten, einer anderen Außenbeleuchtung bis hin zu einer öffentlichen Toilette in der komplett sanierten Friedhofskapelle. „Und MediaKi passt da auch gut hinein, das war ein echter Glücksfall“, sagt Renate Kallage.
WER KANN „MEDIAKI“ NUTZEN?
Bislang kommt das interaktive System im Dorf gut an, erzählt Paul Koldehoff. „Die Leute, die das mal erlebt haben, sind begeistert.“ Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand können sich verschiedene Einsatzmöglichkeiten dafür vorstellen. Wobei MediaKi ausdrücklich keinen Gottesdienst ersetzen soll, durchaus aber mit einzelnen Elementen dafür genutzt werden kann. „Das haben wir auch schon gemacht.“ Kallage denkt an Impulse oder Meditationen in Familien- oder Jugendmessen, bei Beerdigungen oder in Seniorenandachten. Aber auch andere Gruppen und Einrichtungen, von der Frauengemeinschaft über die Kolpingsfamilie bis zur Kindertagesstätte und Schulen könnten das Angebot in ihr Programm einbinden. Und sie denkt auch Radwanderer(gruppen), die auf ihrer Tour in Langen Station einlegen, eine spirituelle Pause in der Kirche machen und danach in der Nähe Kaffee trinken. „Die Möglichkeit haben wir bei uns in Dorf auch“, sagt sie.