Fairer Handel
Schlechte Zeiten für gute Geschäfte

Foto: Weltladen-Dachverband/A. Stehle
Voller Einsatz: Rund 30 000 Ehrenamtliche tragen in Zusammenarbeit mit Hauptamtlichen die Arbeit.
Viele Ehrenamtliche sind längst im Rentenalter, die Waren werden immer teurer und die Stammkundschaft der Weltläden wächst kaum. „Wir müssen neue Zielgruppen erschließen, sowohl bei denen, die bei uns einkaufen, wie bei denen, die sich bei uns engagieren“, sagt Gifty Amo Antwi.
Die 41-Jährige ist Geschäftsführerin des Dachverbandes der Weltläden in Deutschland. Dazu gekommen ist sie wie so viele über ihre Kirchengemeinde: „Unser Diakon hatte die Idee, einen Weltladen zu eröffnen; ich war damals Jugendliche und habe von Anfang an mitgemacht.“ Ihr gefiel die Mischung: einerseits ganz praktisch Waren einkaufen und Kasse machen, andererseits entwicklungspolitische und ökologische Hintergründe verstehen. „Ich erinnere mich, dass ich bei einem Treffen mal eine Präsentation über Lacandona-Honig gemacht habe, einen speziellen Blütenhonig aus Mexiko“, sagt sie. „Das fand ich total spannend.“
Überzeugt hat Amo Antwi auch, dass man die sogenannte Dritte Welt nicht durch Spenden unterstützt, sondern ihre Waren zu fairen Preisen kauft. „Ich fand diese Charity-Idee immer schwierig“, sagt sie. Das liege vielleicht auch an ihren persönlichen Erfahrungen: „Es gab Situationen, da haben mir wohlmeinende Leute Geld in die Hand gedrückt, weil sie Mitleid mit mir als armem, schwarzem Kind hatten. Das hat sich in mein Gehirn eingeprägt.“
„In Frankfurt-Bornheim zum Beispiel arbeiten Menschen aus 25 Nationen mit.“
Auch später ist Amo Antwi der Idee treu geblieben. „Ich habe als hauptamtliche Geschäftsführerin den Weltladen in Mainz geleitet“, sagt sie. Dort hat sie auch die Mischung aus Haupt- und Ehrenamt schätzen gelernt. „Ab einer bestimmten Größe kann man einen Laden nicht nur ehrenamtlich leiten“, sagt sie. „Aber ohne die Ehrenamtlichen geht es auch nicht, sie machen ja das Besondere des Ladens aus.“ Jüngere Engagierte zu gewinnen, fällt jedoch schwer. „Die Weltläden stehen nicht ganz oben auf der Liste, wenn junge Leute sich engagieren wollen“, sagt Amo Antwi. Sie findet es zudem schade, dass Mitarbeitende wie Kunden der Weltläden „meist weiße, gut situierte Akademikerinnen und Akademiker“ sind. „Wir müssen es schaffen, dass etwa auch Menschen mit Migrationsbiografie den Weg zu uns finden“, sagt sie. Zumal die Läden nicht selten Waren aus ihren Herkunftsländern verkauften. Manchmal gelingt das auch, sagt Amo Antwi: „In Frankfurt-Bornheim zum Beispiel arbeiten Menschen aus 25 Nationen mit.“
Amo Antwi, die in Mainz Ethnologie, Politikwissenschaften und Soziologie studiert hat, ist die politische Arbeit der Weltläden wichtig: „Wir sind nicht nur ein Geschäft, in dem man einkauft, wir machen auch Bildungsarbeit und Kampagnen.“ So hätten vor der Bundestagswahl Engagierte an ihre Bundestagskandidatinnen und -kandidaten geschrieben, damit sie sich für den Fortbestand des Entwicklungshilfeministeriums einsetzen. Mit Europaabgeordneten, so Amo Antwi, sprächen sie über das Lieferkettengesetz und machten „immer wieder darauf aufmerksam, dass die Armut in den Ländern des globalen Südens kein Schicksal ist, sondern dass unser Reichtum auf jahrhundertelanger Ausbeutung eben dieser Länder beruht“.
Supermärkte als Konkurrenz
Manche Weltläden gehen zu Unterrichtseinheiten in Schulen, andere organisieren kulturelle Veranstaltungen oder informieren über Nachhaltigkeit und Gütesiegel. „Jeder Weltladen hat da seinen eigenen Schwerpunkt“, sagt Amo Antwi. Genau diese Aktionen seien der Mehrwert gegenüber Supermärkten, die inzwischen auch fair gehandelte Produkte verkaufen. Sind die eine Konkurrenz? „Die Supermärkte nehmen uns schon ein bisschen Umsatz weg“, gibt Amo Antwi zu. Dass es dort diese Produkte gibt, sei trotzdem richtig: „Wenn die Produzenten dadurch fairere Löhne bekommen, ist es gut.“
Dennoch bereitet der Geschäftsführerin die Zukunft der Weltläden einige Sorgen. „Innenstadtsterben, Überalterung der Ehrenamtlichen, allgemeine Teuerung, höhere Mietkosten – da kommen eine Menge Herausforderungen zusammen“, sagt sie. Aber die Weltladen-Idee sei zu gut, um sie aufzugeben. „Mich motiviert es, dass bei uns der Mensch im Mittelpunkt steht und eine gerechtere Verteilung der Güter dieser Erde“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich empfinde das auch als christliche Verantwortung, dass wir auf andere schauen und nicht nur auf uns selbst und unseren eigenen Wohlstand.“
Zur Person
Gifty Amo Antwi (41) ist Geschäftsführerin des Dachverbandes der Weltläden in Deutschland. Sie hat Ethnologie, Politikwissenschaften und Soziologie in Mainz studiert.