Reiner Haseloff bezieht Stellung
Klare Kante und persönliche Einblicke
Foto: imago/Mike Schmidt
Reiner Haseloff gilt allgemein als Mann der klaren Worte. Das konnte der CDU-Politiker häufig unter Bweis stellen, schließlich ist er der dienstälteste Ministerpräsident Deutschlands. Neu ist, dass Haseloff seine Positionen nicht am Rednerpult und vor Pressemikrophonen, sondern in einem Buch darlegt. „Christliche Werte leben – Politik gestalten“ heißt der Band des bekennenden Katholiken, dem es an deutlichen Aussagen nicht mangelt.
„In meinen Augen war Bengsch ein Märtyrer“, schreibt Haseloff etwa über den früheren Berliner Bischof und Kardinal, der sich unermüdlich für die Katholiken in der DDR und die deutsche Einheit einsetzte. Haseloff, 1954 in einer katholischen Familie im Kreis Wittenberg geboren, erinnert sich gut an die Zeit und den Kampf des Kardinals und würdigt ihn mit deutlichen Worten. Ebenso klar geht er einige Seiten weiter auch ins Gericht – mit sich selbst und anderen: „Es steht jeder Politikerin und jedem Politiker – mich selbst natürlich eingeschlossen – an, im Blick auf diese Tugend Gewissenserfoschung zu halten“, notiert er über die Tugend „das rechte Maß“. Klare Kante, wie man es vom Politiker Haseloff kennt.
Aber das Buch zeigt auch den Menschen Haseloff – besonders dann, wenn er seine entschiedenen Positionen mit Anekdoten seines persönlichen Lebens verbindet. Dann, wenn er auf herausfordernde Zeiten wie etwa die Corona-Pandemie zurückblickt und dabei nicht bei gesundheitspolitischen Abwägungen und Entscheidungen bleibt, sondern freimütig zugibt: „Das war für mich eine schwierige Zeit, als mir vorgeworfen wurde, dass ich angeblich der Verantwortliche von zusätzlichen 20 Prozent Todesfällen gegenüber Nordrhein-Westfalen oder Bayern sein sollte.“ Oder, wenn er sich an Begegnungen mit Bernhard Vogel, dem inzwischen verstorbenen ehemaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, erinnert. Sie grüßten sich einst spaßhaft mit „Josef Pieper“, weil beide die Leidenschaft für den großen christlichen Philosophen teilten.
Um Piepers Gedanken geht es oft im Buch des Pieper-Fans Haseloff, vor allem, wenn er erklärt, warum er sich aus christlicher Überzeugung an den vier Kardinaltugenden – Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und das eben schon erwähnte rechte Maß – orientiert. Aber auch auf zwischenmenschliche Beziehungen kommt der Politiker immer wieder zurück – eben zu Bernhard Vogel, aber auch zu seinem geistlichen Begleiter oder zur Gemeinschaft der Kolpingsfamilie. Ganz nah kommt der Leser da dem Ministerpräsidenten, der ganz persönlich wird.
Beinahe hart wirkt dann die Überschrift des letzten Kapitels: „Was ich von den Kirchen erwarte“ steht da unumwunden – und es ist einiges, was darauf folgt. Da ist sie wieder, die klare Kante des Haseloff. Aber auch hier wird sie abgerundet von persönlichen Einblicken. Denn in den „persönlichen Bemerkungen zum Schluss“ nimmt uns Haseloff mit auf den „Camino“, auf die letzten 100 Kilometer des Pilgerwegs nach Santiago de Compostela, die er mit seiner Frau und einigen Freunden beschritt. Damit endet das Buch so, wie es durchgehend gestaltet ist: mit klaren Positionen und persönlichen Erinnerungen, die Haseloff mühelos verbindet.
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