Buchpräsentation in der Abtei St. Hildegard

Benedikt-Regel als Inspiration

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Buchpräsentation
Nachweis

Foto: Christa Kaddar

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Schwester Mirjam Kämpf (Mitte) führte auf anregende Weise durch die Buchvorstellung mit Pater Elmar Salmann und Schwester Raphaela Brüggenthies.

Traditionell wird aus der Regel des heiligen Benedikt in den Klöstern seines Ordens täglich vorgelesen. Jetzt haben eine Benediktinerin und drei Benediktiner die Regel aus dem sechsten Jahrhundert „wie einen fremden Gast betrachtet“ und ihre Gedanken zu den Tagesabschnitten in einem Buch veröffentlicht. Von Christa Kaddar


„Pater Elmar von der Abtei Gerleve wird von seinen Kollegen als ‚Romancier der Theologie‘ beschrieben“, stellte Schwester Mirjam Kämpf im Klosterladen der Abtei St. Hildegard in Eibingen den Herausgeber des Buches „Die Regel Benedikts als fremder Gast“ vor. Sie moderierte die Buchpräsentation mit zwei der vier Autoren. Pater Elmar Salmann, promovierter Theologe, der mehr als 20 Jahre als Professor der Philosophie und Dogmatik in Rom war, saß neben ihr. Auf der anderen Seite ihre Mitschwester Raphaela Brüggenthies, Novizenmeisterin und Priorin der Abtei St. Hildegard.


Vier Benediktiner – vier Lesarten


Geschickt führte Schwester Mirjam durch die Buchvorstellung, ließ beide erzählen, kommentieren und Passagen aus dem Buch lesen. Ob er sich denn mit der Regel des heiligen Benedikt vor seinem Eintritt ins Kloster vertraut gemacht habe, wollte sie von Pater Elmar wissen. „Ich fürchte und hoffe eher nicht“, antwortete er mit einem Schmunzeln. „Vielleicht hätte ich es mir dann noch anders überlegt.“ Er erläuterte, dass die deutschen Benediktiner im 15. Jahrhundert den Prolog und die 73 Kapitel der Regel in 122 Abschnitte aufgeteilt hätten, so dass die dreimal jährliche Lektüre jeweils Anfang Januar, Anfang Mai und Anfang September beginne. Das gemeinsame Lesen und Kommentieren für das Buchprojekt fand im vergangenen Jahr von September bis Ende Dezember statt. Vorgabe war eine bestimmte Länge, die eine Buchseite nicht überschreiten durfte – abgedruckt jeweils auf der rechten Buchseite, während der Abschnitt aus der Original-Benediktregel auf der linken Seite steht.


Das Kloster als Schule für Lernende


Im letzten Abschnitt des Prologs von Benedikt heißt es: „Wir wollen also eine Schule für den Dienst des Herrn einrichten. Bei dieser Gründung hoffen wir, nichts Hartes und nichts Schweres festzulegen.“ Dazu schreibt Pater Elmar: „Anfangen können, das ist eine der Gesten der Freiheit Gottes und des Menschen. (…) Anfänger sein und bleiben, Förderschüler, gar Abc-Schütze im Christentum, das kommt in aller Demut und hochgemuter Kraft dem Christen und erst recht dem Mönch zu.“ Nach den Ausführungen Benedikts sei das Kloster demnach eine Dienstschule für Lernende. Pater Elmar kommentiert diesen Abschnitt unkritisch, erwähnte aber im Gespräch – und tut dies auch im Vorwort – dass in Benedikts Urtext vieles fehle, was zur heutigen Alltagseinstellung gehöre: „Freude an sich und den Anderen, an den Stärken der Menschen, jede Heiterkeit, Leichtigkeit im Umgang mit Innen- und Außenwelt.“ Die spätantike Hausordnung für das Leben einer Gemeinschaft in dürftiger Zeit werde deshalb nicht als Norm, sondern als Gelegenheit aufgenommen, um sich an ihr zu inspirieren, zu reiben und auf neue Gedanken zu kommen. Benedikt liebe es, Weisungen prinzipieller Strenge durch komplementäre Kapitel zur gemäßigten Anwendung zu ergänzen.
Ein Abschnitt aus dem Kapitel „Der Abt“, in dem Benedikt auf die Aufgabe eingeht, Menschen zu führen und ihren Eigenarten zu dienen, brachte Schwester Raphaela auf die Idee, am Abend auf das Klangbild ihres Tages zurückzuschauen, in dem elf Musikstücke enthalten sind – von Arvo Pärt über Silbermond bis Josef Gabriel Rheinberger. „Den Rhythmen vieler gerecht werden, ihren hohen und tiefen Lagen den nötigen Resonanzraum geben, das ist die Kunst eines guten Dirigenten. (…) Musik besteht nicht nur aus Klang – auch die Pausen gehören dazu. Damit wird die Spannung gehalten.“
Im Anschluss an den offiziellen Teil blieb Zeit für einen Umtrunk mit einem Benedictus-Wein aus dem Klosterweingut, für Gespräche und das Signieren der Bücher durch Schwester Raphaela und Pater Elmar. „Mir hat es total Freude gemacht, zu den einzelnen Abschnitten zu schreiben. Es lief alles nebenbei im Alltag“, erklärte Schwester Raphaela. Alle vier Tage mussten sich die vier Schreibenden ihre Texte zuschicken. „Wenn ich die Texte der anderen las, dachte ich manchmal, ich hätte dazu eine ganz andere Idee gehabt.“
Diese vier „Lesarten“ machen den Reiz des Buches aus, das keineswegs nur für eine Ordensgemeinschaft geschrieben ist, sondern für alle Menschen, die über Leben, Glauben, Gemeinschaft, Gastfreundschaft und vieles mehr nachdenken. Der freie, kreative, mal humorvolle und mal ernsthafte Umgang mit der Benediktregel in einer geschliffenen Sprache mit vielerlei literarischen und philosophischen Anmerkungen machen das Buch zu einem besonderen Leseerlebnis. Dazu tragen neben den beiden Anwesenden auch die zwei weiteren Autoren bei: Pater Marcel Albert, ebenfalls aus der Abtei Gerleve, und Abt Beda Sonnenberg aus der Abtei Plankstetten.

„Die Regel Benedikts als fremder Gast – Vier Lesarten“ ist im EOS-Verlag erschienen. 
262 Seiten, 24,95 Euro. Autoren sind Pater Marcel Albert, Schwester Raphaela Brüggenthies, Pater Elmar Salmann (auch Herausgeber) und Abt Beda Sonnenberg.

Christa Kaddar