Gespräch mit dem Chefreporter der Katholischen Nachrichten-Agentur
„Der neue Papst muss Brücken bauen“

Foto: Blau: kna/Christopher Beschnitt,
Die Gläubigen in Kenia feiern Gottesdienste auf ihre Weise ...
In welchem Zustand übernimmt der neue Papst die Kirche?
In weiten Teilen Westeuropas und Nordamerikas schrumpft die Kirche, gleichzeitig wächst sie in Afrika, Asien und Lateinamerika enorm. Diese entgegengesetzten Trends haben in den letzten Jahren noch mal zugenommen. Zugenommen hat auch die Entfernung zwischen dem Zentrum der Weltkirche, das nun mal in Europa liegt, und dem, was Franziskus die Ränder genannt hat.
Welche Aufgabe ergibt sich daraus für den neuen Papst?
Ein Titel des Papstes ist Pontifex, also: Brückenbauer. Diese Aufgabe ist aktuell wie nie. Der neue Papst muss Brücken bauen zwischen Zentrum und Peripherie. Zwischen Leuten, die sich stark an der Tradition orientieren, und Leuten, die tiefgreifende Reformen in der Kirche wünschen. Und zwischen den Generationen. Die jüngere Generation hat ihre Lebenswelt in den sozialen Medien. Daran hat die ältere Generation kaum Anteil. Auch der Vatikan als Kirchenzentrale hinkt hier hinterher.
Kann es gelingen, diese Brücken zu bauen?
Das muss dem neuen Papst gelingen. Die Kardinäle haben fast zwei Wochen vor der Wahl zusammengesessen. Sie können nicht jemanden wählen, der nicht in der Lage wäre, diese Brücken zu schlagen.

Foto: kna/Anita Hirschbeck
Wie kann ein neuer Papst der wachsenden Bedeutung von Afrika, Asien und Lateinamerika gerecht werden?
Das tun die Päpste schon seit geraumer Zeit durch ihre Reisen. Man kann nicht hoch genug einschätzen, wie die Reisen helfen, die Weltkirche zusammenzuhalten und den Menschen in Afrika oder in Asien klarzumachen: Wir nehmen euch ernst. Ihr seid genauso wichtig für uns wie die alte Kirche in Europa. Das wird auch der neue Papst so machen.
Aber es gibt doch auch Punkte, bei denen die Gräben kaum überbrückbar sind. Bei dem Papier, das Segnungen für homosexuelle Paare ermöglicht hat, haben afrikanische Bischofskonferenzen dem Papst offen widersprochen.
Es gibt tatsächlich bei manchen Themen unüberbrückbare Gegensätze. Kein Papst kann in so einer Sache etwas entscheiden, wenn ein wesentlicher Teil der Weltkirche nicht nur grummelt und mit der Faust in der Tasche mitmacht, sondern mit der Faust auf den Tisch schlägt und sich verweigert. Darauf muss er Rücksicht nehmen. Ein Papst kann nicht riskieren, die Bischöfe und die Gläubigen in Afrika zu verlieren. Insofern bestimmen bei einigen Themen die, die langsamer sind, das Tempo.
Gibt es Aufgaben, die unter Franziskus liegen geblieben sind?
Da gibt es einiges. Papst Franziskus hatte den Auftrag, die vatikanische Kurie zu reformieren. Das hat er weitgehend geschafft, aber nicht, die Finanzen auf gesunde Füße zu stellen. Das Defizit im Vatikan ist inzwischen dramatisch. Wenn der Vatikan pleite ist, helfen die besten Pläne nichts. Offen ist auch, wie der Nachfolger mit der Diskussion um die Synodalität umgeht. Denn die läuft auf eine Verfassungsreform der Kirche hinaus. Eine Herkulesaufgabe. Nicht wirklich bewältigt sind auch Aufgaben in der Ökumene. Da hat Franziskus viele symbolische Gesten gemacht. Aber es fehlte die theologische Untermauerung.
Am Begräbnis von Franziskus haben Politiker aus der ganzen Welt teilgenommen. Keine Institution der Welt kann so unterschiedliche Menschen und Nationen versammeln. Welche Aufgaben erwarten den neuen Papst in der Politik?
Auch hier hat Franziskus vieles angestoßen, aber es waren oft Alleingänge. Das war nicht systematisch und zu Ende gedacht. Die vatikanische Diplomatie muss wieder stärker mit den Ansätzen des Papstes koordiniert werden.
Mit seinen Friedensbemühungen für die Ukraine ist Franziskus gescheitert. Sind die Erwartungen an das Papstamt als moralische Instanz der Welt nicht ohnehin übertrieben?
Teilweise sind sie das. Aber hin und wieder gelingt es dennoch, sie einzulösen. Der Papst ist der einzige Global Player, der die ganze Welt im Blick hat und alle als Brüder und Schwestern anspricht. Das wird der nächste Papst sicher noch weiter entwickeln.

In allen Nachrufen wurde der einfache Lebensstil von Franziskus hervorgehoben. Wie kann ein neuer Papst mit diesem Maßstab umgehen?
Ich glaube, dass diese Einfachheit zum Papsttum weiterhin dazugehören muss. Eigentlich ist das schon so seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Der einzige Ausreißer war zwischendrin mal Benedikt XVI., der ein paar Ornamente aus der Papstgeschichte wieder einführen wollte. Aber auch er hatte keinen wesentlich anderen persönlichen Lebensstil. Die Zeit der Renaissancefürsten im Papstpalast ist lange vorbei.
Dennoch hat man Franziskus eine besonders große Glaubwürdigkeit zugeschrieben. Was kann ein neuer Papst tun, um glaubwürdiger Verkünder des Evangeliums zu sein?
Er muss sogar mehr tun. Es wird nicht reichen, wenn er einfach Franziskus kopiert. Ob er ein anderes Auto fährt oder andere Schuhe trägt, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass das, was er predigt, und seine Persönlichkeit zusammenpassen. Noch wichtiger ist, dass er es schafft, die Menschen mit seiner Ausstrahlung, seinem Charisma unmittelbar anzusprechen. Das ist vielleicht heutzutage noch wichtiger als manche dogmatischen Feinheiten.
Zur Person
Ludwig Ring-Eifel ist Chefreporter der Katholischen Nachrichten-Agentur (kna). Nach der Wahl von Benedikt XVI. und Franziskus ist dies bereits die dritte Papstwahl, von der er berichtet.