Ökumenische Gruppe in Barnstorf gestaltet wieder ein Fastentuch

Kraft schöpfen aus der Verwundbarkeit

Fastentuch wird gestaltet

Foto: Simone Brauns-Bömermann

Siglinde Schmidt, Gabriele Rattay, Reinhard Börger, Anne Kock, Torben Heuer und Reinhild Warning (v.l.) arbeiten am Hungertuch im Pfarrheim der katholischen Kirche. Es fehlen: Bruni Meier, Christiane Roth, Anette Wilms.

Seit 15 Jahren zeigt die ökumenische Malgruppe der Barnstorfer Fastentücher kritische Kunst in der Kirche. Seit 2011 bestellt die Kirchengemeinde St. Barbara und Hedwig kein Hungertuch bei Misereor, sondern verhängt ihren Altar von Aschermittwoch bis Ostern mit selbstgemalten Tüchern. Initiator Reinhard Börger ist zum letzten Mal dabei.

Wer die Kirche in der Fastenzeit besucht, wird mit aktuellen Themen aus der Welt und der Region konfrontiert. Reinhard Börger startete das Kunstprojekt vor 15 Jahren. Seine Motivation: „Wenn die Worte fehlen, erläutern häufig Bilder.“ Er unterschreibt damit eine Aussage von Abt Albert Alterähr, der 2003 anlässlich einer Ausstellung in der Barnstorfer Kirche sagte: „Immer, wenn ich taub bin für das Wort, wünsche ich mir Bilder.“ Allerdings sollen, so Börger, die Fastentücher keine Texte ersetzen, sondern dazu anregen, passende Texte zu lesen, um sich ein umfassendes Bild des Themas, der Problematik, des Dilemmas zu machen.

Für Reinhard Börger ist nun Schluss: „15 Jahre sind eine schöne Zeitspanne. Meine Ära ist nun vorbei.“ Er habe sich seinen Schlusspunkt nach 15 gemalten Fastentüchern gut überlegt und will auch dafür sorgen, dass die Tradition fortgeführt wird. Die ökumenische Gruppe ist seines Wissens die einzige Gruppe im Bistum Osnabrück, die sich seit so langer Zeit ihr eigenes Hungertuch malt.

Längst bekannt in der kirchlichen Kunstszene

Reinhard Börger
Nach 15 gemalten Hungertüchern ist für Initiator Reinhard Börger Schluss. Aber die ökumenische Malgruppe wird es weiterhin geben. Foto: Simone Brauns-Bömermann

Welche Themen aufgegriffen werden, wird im Team entschieden. Zwar hatte Börger oft die zündende Idee und auch schon mal einen Entwurf aufs Papier gebracht, aber abschließend diskutiert wurde immer in der Gruppe. Danach machte Börger den grafischen Aufriss auf dem „Schmachtlappen“. Um die Ausgestaltung in Farbe und Detail kümmerten sich die Malerinnen und Maler. „Wir sind als Gruppe zusammengewachsen, ein eingespieltes Team“, sagt Börger. Pastor Torben Schröder von der evangelischen Kirchengemeinde St. Veit in Barnstorf ergänzt: „Dieses fruchtbare Miteinander ist nicht verordnet, sondern aus dem ökumenischen Miteinander Einzelner erwachsen.“

Im Bistum Osnabrück sind die Hungertücher aus Barnstorf längst in der „kirchlichen Kunstszene“ bekannt. Zum zehnten Geburtstag der Passionstücher erstellte die Kirchengemeinde eine Festschrift. Üblicherweise sind Fastentücher schlicht in Weißstickerei gehalten, auch mit biblischen Motiven. Die Barnstorfer Gruppe will aber mehr: Sie machte in den 15 Tüchern neben biblischen Themen auf Hungerlöhne von Textilarbeitern (2014), die Flüchtlingswelle (2015) oder unmenschliche Werksarbeit in der tierverachtenden Fleischindustrie (2019) aufmerksam und setzt sich aktuell mit der menschlichen Verwundbarkeit auseinander.

Die Aussage des Hungertuchs in diesem Jahr: „Das Quälen hört nicht auf.“ Zu sehen ist der gequälte Jesus: ohne prachtvollen Ornat, ein misshandelter und gefolterter Körper, der auf das Ende wartet. Davor eine aufgebrachte Menschenmenge, die ihren „Sündenbock“ gefunden hat. Doch wo begegnen wir solch einem Körper heute?

Zum Beispiel bei den verletzten Soldaten des völkerrechtswidrigen Überfalls auf die Ukraine. Und auch bei Opfern von Gewalt gegen queere Menschen. Diese Gewalt nimmt zu, die Beweggründe sind oft auch rassistisch, fremdenfeindlich, antisemitisch und gegen die sexuelle Orientierung gerichtet. Deshalb ist neben Jesus auch ein liegender, ebenso gequälter Mensch auf einer Decke abgebildet, nackt, mit Narben und den mutigen Zeichen seines Bekenntnisses. „Das Hungertuch zeigt, dass Schwäche menschlich macht. Wir wollten damit ausdrücken, dass der Umgang mit dem eigenen Versagen stark machen kann“, erklärt Börger.

Er sieht in der Ruheposition des nackten Menschen eine neue Überlebensstrategie. Das heißt: Neue Kraft schöpfen, selbst etwas zu riskieren, damit die derzeit so zerbrechliche Welt gerechter, friedvoller und geeinter wird für alle. Mit dem Tuch gibt die Ökumene in Barnstorf Opfern von Gewalt durch Krieg, Hass, Verachtung und Fremdenfeindlichkeit ein Gesicht.

Simone Brauns-Bömermann

Vorgestellt wird das diesjährige Hungertuch im Gottesdienst am ersten Fastensonntag, 9. März, um 11.15 Uhr in der Kirche St. Barbara und Hedwig in Barnstorf. Musikalisch gestaltet wird der Gottesdienst von der Schola des Vokalensembles Marienhain aus Vechta unter Leitung von Robert Eilers.