Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast
Mamamorphose

Foto: Lars Heidrich
Mutterschaft hat viele Facetten – und manches ändert sich. Das zeigt eine spannende Ausstellung.
Darf ich mein Baby mit ins Museum nehmen? Viele Mütter sind unsicher. Sie fürchten, das Kind könnte schreien und andere stören. Anna Schütz aber fragt: „Warum sollte einer Frau mit Baby dieser Raum nicht genauso offenstehen wie einer kinderlosen Person?“
Schütz ist Kuratorin im Kunstpalast in Düsseldorf. Das Museum bietet eigene Führungen für Eltern mit Babys im ersten Lebensjahr an. Auch für die aktuelle Ausstellung: „MAMA. Von Maria bis Merkel“. „Das Thema liegt regelrecht in der Luft“, sagt sie. Museen, Theater, Literatur und die Politik beschäftigten sich regelmäßig mit Fragen der Mutterschaft. Schon die Diskussion um den Paragrafen 218 zeige die Dringlichkeit des Themas, so die Kuratorin. Die Ausstellung wolle hinterfragen, welche Mutterbilder es gibt und welche Vorstellungen und Erwartungen damit einhergehen.
Maria und Merkel sind die Aushängeschilder der Ausstellung
Was siehst du, wenn du an deine Mutter denkst? Das war die erste Frage, die sich Schütz und ihre Mitkuratorinnen Linda Conze und Westrey Page gestellt haben – und damit startet auch die Führung. Eine Besucherin antwortet: „Ich sehe meine Mutter, wie sie mir die Hand auf die Stirn legt, wenn ich als Kind krank war.“ Ein anderer sagt: „Ich sehe mich als glückliches, behütetes Kind durch die liebevollen Augen meiner Mutter.“
Währenddessen trällert Heintje in einem Video im Hintergrund: „Mama, du sollst doch nicht um deinen Jungen weinen ...“. Der Text wurde 1941 von Bruno Balz geschrieben, der darin die Ängste von Müttern um ihre Söhne an der Front aufgriff.
Der nächste Raum behandelt das Thema „gute Mutter“. An einer Wand hängen Marienfiguren aus dem 14. bis 18. Jahrhundert. Maria, die Urmutter des westlichen Kulturraums, ist bis heute ein Sinnbild für absolute Hingabe. Auf der gegenüberliegenden Seite zeigen Magazincover eine andere Frau: Angela Merkel, die Ex-Kanzlerin, die selbst keine Kinder hat und dennoch den Spitznamen „Mutti“ trug.
Maria und Merkel sind die Aushängeschilder der Ausstellung. „Mit ihnen spannen wir nicht nur einen zeitlichen, sondern auch einen thematischen Bogen“, sagt Schütz. Die beiden Frauen sind nur ein Beispiel dafür, wie sich das Mutterbild über die Jahrhunderte hinweg verändert hat, welche Metamorphose es durchlebt hat, oder besser „Mamamorphose“ – wie eine der Themenführungen durch die Ausstellung heißt.
In einem Raum steht ein Regal, vollgestopft mit Ratgeberliteratur, darunter das Buch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ – ein Standardwerk in der Nazizeit. Von der schwarzen Pädagogik, die damals auf Strafen, Gewalt und Einschüchterungen setzte, hat sich die Erziehung mittlerweile weit entfernt. Aber auch heute sind Ratgeber nicht unproblematisch. Eine Mutter erzählt, dass manche sie eher verunsichern – weil sie Probleme sehen, wo keine sind. Alle Mütter in der Führung sind sich einig: Egal, wie man es macht, macht man es falsch.
Ziel ist es, Vielfalt sichtbar zu machen
Etwa in Sachen Berufstätigkeit. Die Ausstellung zeigt: Erst im 18. Jahrhundert setzte sich die Vorstellung durch, dass alle Mütter sich selbst um ihre Kleinsten kümmern müssen. Doch nicht jede Frau konnte und kann es sich leisten, zu Hause zu bleiben. Die Skulptur „Die Steinklöpferin“ von Karl Janssen (1902) verkörpert diesen Konflikt: Eine arbeitende Mutter schenkt ihrem Säugling einen liebevollen Blick – zerrissen zwischen ihrer Pflicht und der Sorge um ihr Kind.
Und was ist mit Frauen, die kein Kind haben? Auch das wird thematisiert. Jahrhundertelang wurde die Frau auf ihre Mutterrolle reduziert. Mit der Antibabypille und dem Abtreibungsrecht konnte sie sich ein Stück weit von diesen gesellschaftlichen Erwartungen emanzipieren. Die Künstlerin Hannah Höch hat ihr Ringen um die Entscheidung für oder gegen ein Kind in einem abstrakten Selbstporträt (1922) verarbeitet. Nina Hagen protestierte in ihrem Song „Unbeschreiblich weiblich“ (1978), den man sich in der Ausstellung anhören kann, gegen die Pflicht zur Mutterschaft – und bekam doch wenige Jahre später zwei Kinder.
Die Ausstellung widmet sich noch vier weiteren Themen: Orte der Mutterschaft, Nähe, Mutterseelenallein und Familienkonstellationen. „Ziel ist es, Vielfalt sichtbar zu machen“, sagt Schütz. „Es gibt so viele Mutterbilder und es ist völlig okay, dass sie nebeneinander existieren.“ Wichtig sei, offen darüber zu reden.
Zur Kritik, dass die Ausstellung manche Themen auslässt, sagt die Kuratorin: „In dieser Ausstellung gibt es mehr Leerstellen als alles andere.“ Aber die Vielfalt der Exponate öffnet viele Räume. „Das war auch das Ziel – vielen verschiedenen Positionen eine Stimme zu geben“, sagt Schütz. Denn Mutterschaft betrifft alle. Auch jene, die keine Mütter sind.