Künstliche Intelligenz als Thema für Familien
„Da kommen wir nicht drumherum“

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Der Sprachassistent steht mit auf dem Tisch: Zu Hause sind viele Familien längst von Künstlicher Intelligenz umgeben. Es gibt Chancen, aber auch Risiken
Künstliche Intelligenz (KI) in Kinderhänden – ist das tatsächlich ein so großes Thema für Familien?
Ob das ein Thema in allen Familien ist, weiß ich gar nicht, denn oft wird nicht bemerkt, wo KI schon überall drin ist: in Sprachassistenten wie Alexa, in den Streaming-Plattformen, in den Apps auf dem Handy, selbst im Staubsaugerroboter. Und spätestens mit dem ersten Smartphone kommen Kinder damit in Berührung. Denken Sie nur an die KI-Chatbots (virtuelle Gesprächspartner) in Snapchat oder jetzt mit dem blauen Kreis in Whatsapp. Das kommt sozusagen frei Haus. Da kommen Familien gar nicht drumherum.
Stecken in dieser Technologie für Kinder und Eltern mehr Chancen oder mehr Risiken?
Das ist schwer zu sagen, weil die Technologie sich gerade so schnell entwickelt. Chancen gibt es auf jeden Fall – zum Beispiel im Bereich Bildung und Schule. Wir haben mit den KI-Modellen einen riesigen Wissensspeicher, der Information ausgibt, zusammenfasst und zugeschnitten auf meinen persönlichen Lernstand in meiner Sprache erklären kann. Und das in einer Geduld, wie es keine Mutter, kein Vater und keine Lehrkraft vermutlich jemals könnte. Das ist ein wichtiger Schritt zu individueller Unterstützung beim Lernen. Und außerdem gibt es dort schöne Inspirationen, gerade im kreativen Bereich.
Haben Sie ein konkretes Beispiel, wie KI den Lernprozess positiv beeinflussen kann?
Die KI kann zum Beispiel bei Fremdsprachen Vokabeln abfragen oder genau für mich passende Grammatikübungen vorschlagen. Bei der Vorbereitung für Klausuren kann diese Technik den Stoff sinnvoll portionieren, um Struktur zu bekommen. Und man könnte auch über einen KI-Chat mit Personen aus einem Buch wie Wilhelm Tell „reden“, um einen Bezug herzustellen.

Spüren Sie mehr Anfragen zu dem Thema?
Es gibt immer mehr Nachfragen von Schulen, tatsächlich. Das freut mich. Ich wünsche mir da einen Dreiklang von Fortbildungen für Lehrkräfte, Elternabende und Infos für Jugendliche. Bei dieser Technologie, die wir alle noch lernen müssen, finde ich diesen gemeinsamen Weg am besten. Denn eins ist klar: KI geht nicht wieder weg und das passiert alles in einer Geschwindigkeit, die wir so noch nie erlebt haben. Es ist absolut wichtig, sich dem Thema zu stellen und sich zu informieren.
Welche Risiken sehen Sie bei dieser Technologie?
Wir haben eine Technologie vor uns, die nicht weiß, was wahr, gut und richtig ist. Das sind statistische Modelle, die Wahrscheinlichkeiten berechnen und Zeug zusammenschreiben, das auch einfach mal grober Unfug sein kann. Es gaukelt uns eine Realität vor, die es so nicht gibt. Das ist ein Paradigmenwechsel und zudem eröffnen sich damit auch ungeahnte Manipulationsmöglichkeiten für „Fake-News“. Das muss uns immer bewusst sein. Ein anderes Problem ist, dass die Chatbots zunehmend für menschlich, für „Freunde“, gehalten werden. Bisher haben Menschen mit Menschen geredet und mit Gott. Jetzt haben wir Maschinen, die Sprache nutzen und das manchmal erstaunlich gut. Das halte ich für wirklich bedenklich. Wir müssen KI als reines Werkzeug begreifen und so nutzen. Ich umarme ja auch nicht meinen Hammer und auch mit dem muss ich verantwortlich umgehen.
Worauf müssen also Eltern und Kinder achten?
Eltern sollten im Blick haben, wo ihre Kinder mit KI in Berührung kommen – also durchaus mal die Apps anschauen, die die Kinder auf dem Handy oder Tablet nutzen. Das halte ich für legitim, bis zu einem gewissen Alter. Und wir sollten mit den Kindern darüber reden und gemeinsam KI-Tools ausprobieren. Bei der Technologie sind wir alle Anfänger, da können wir uns gemeinsam schlaumachen und eine Haltung dazu finden. Wie kann ich das sinnvoll nutzen und wo endet meine Zustimmung? Zu sagen, dieses will ich und jenes nicht – das ist wichtig.
Haben Sie praktische Tipps für zu Hause?
Ich habe meinen Kindern einen Zugang zu KI gegeben, wo ein gewisser Filter darunter liegt. Da ploppen dann Warnungen auf und ich kann in die Chats hereingucken. Das kann ein Weg sein. Eltern müssen sich selbst informieren und auch Dinge ausprobieren. Ich weiß, das auch noch zu müssen, ist eine Hürde, aber anders geht es nicht. Es gibt Online-Kurse, wo man selbst Wissen dazu bekommen kann und ich biete demnächst auch Elternabende dazu an (siehe „Zur Sache“).
Sie haben das Stichwort Haltung benutzt ...
Wir brauchen eine Haltung dazu, das ist nötiger denn je. Wir haben jetzt die Chance nachzuholen, was wir damals beim Start ins Internet nicht gemacht haben: darüber zu sprechen, was wir wollen und was wir eben nicht wollen. Eltern sollten ihren Kindern vorleben, dass Technik und Digitalisierung kein Selbstzweck sind. Wir entscheiden und wir bestimmen. Ich setze zum Beispiel bei Chatbots immer ein Ausrufezeichen dahinter, um mir selbst zu signalisieren, dass ich der Auftraggeber bin und die KI der Befehlsempfänger. Ich muss da auch nicht „danke“ sagen. Das ist ein statistisches, mathematisches Modell. Nicht mehr.
Und wie sollte sich die Kirche dabei positionieren?
Kirche muss erstmal anerkennen, dass diese Technologie ins Innerste des Glaubens zielt. Wir sind eine Wort-Religion, in der das Wort heilig ist. Und jetzt haben wir eine dritte Seins-Form, die Sprache nutzt, der wir Bedeutung geben. Kirche muss Stellung beziehen auch zu denjenigen, die KI als Heilsbringer verstehen. Da werden Götzen gebaut! Kirche muss Position beziehen gegen diesen Technikglauben und sollte dem immer beliebiger werdenden Wahrheitsbegriff Echtheit und Authentizität entgegensetzen.
Tipps für Eltern und Interessierte
KI-Campus
kostenlose Lernplattform mit KI-Kursen (auch Grundlagen) des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft
KI-Kurs
Unterrichtseinheiten zum Thema KI von der Uni Tübingen, auch zum Selbstlernen geeignet
Michael Brendel: ChatGPT, Generative KI – und wir!
Sachbuch in verständlicher Sprache zu Hintergründen, Chancen und Risiken der aktuellen KI-Welle
Elternabende "Unsere Kinder sicher im KI-Zeitalter" ab August im Ludwig-Windthorst-Haus in Lingen:
25. August: Deep-Fakes, Voice-Cloning und Fake News – Kinder stark machen gegen KI-Manipulation
27. Oktober: KI als Lernhelfer – viel mehr als nur ein Hausaufgabenknecht
26. Januar 2026: Die Macht der Algorithmen – Wie KI unsere Kids ans Handy fesselt
12. Mai 2026: Freundschaft mit KI – Wie schütze ich mein Kind vor Pseudo-Beziehungen?
Beginn ist jeweils 19.30 Uhr, Eintritt 10 Euro.