Was uns diese Woche bewegt
Der letzte Eindruck bleibt

In einem Sprichwort heißt es: „Der erste Eindruck zählt.“ Ich gebe zu: Meine erste Begegnung mit Elvira Müller verlief holprig. Ich lernte sie Ende der 1990er Jahre kennen, als sie noch den Zweigverein des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) in Bremen leitete. Später wurde sie Vorsitzende des KDFB-Diözesanverbandes Osnabrück. Jedenfalls kam sie auf mich zu und wollte mir in den Block diktieren, was ich zu schreiben habe. Mein erster Eindruck: Unangenehm! Um diese Frau machst du künftig lieber einen Bogen!
Aber wir trafen uns natürlich häufiger, kamen ins Gespräch, und irgendwann fragte ich sie nach ihrem Dialekt. Sie stammte aus Laupheim bei Ulm. Welch ein Zufall, denn Laupheim kenne ich gut. Dort habe ich ein achtwöchiges Praktikum in der Redaktion der „Schwäbischen Zeitung“ absolviert. Als ich davon erzählte, strahlte Frau Müller übers ganze Gesicht. Wir fanden einen Draht zueinander. Sie verstand, dass nicht für jedes Ereignis Platz in der Kirchenzeitung ist und ich lernte, mit ihrer fordernden, couragierten Art umzugehen.
Gemeinsam haben wir im Laufe der Jahre schöne Themen umgesetzt: Ich besuchte Elvira Müller zu Hause in Bremen für die Serie „Mein Lieblingsplatz“ und ging mit ihr an der Weser spazieren. Ich berichtete über ein von ihr organisiertes Frauenfrühstück in der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen. Ich schrieb über den von den KDFB-Vorstandsfrauen ins Leben gerufenen „Internationalen Frauenkreis“ und über das Projekt „Estlandhilfe“. Besonders interessant fand ich die in Buchform veröffentlichte Familiengeschichte von Elvira Müller; sie war mit 13 jüngeren Geschwistern aufgewachsen.
Zum Jahresbeginn ist Elvira Müller gestorben. Sie wurde 97 Jahre alt. Zuletzt lebte sie in einer Service-Wohnung der Caritas und ließ mich hin und wieder grüßen. Ich mochte sie und erinnere mich gern an sie. Der erste Eindruck zählt. Ja. Aber das muss uns nicht davon abhalten, Menschen besser kennenzulernen. Schließlich geht das Sprichwort weiter: „Der letzte Eindruck bleibt.“